Skip to main content

Fragen und Antworten zur Bundesnotbremse

Für die SPD-Bundestagsfraktion ist klar: Bei besonders hohen Infektionszahlen bedarf es zum jetzigen Zeitpunkt der Pandemie klarerer und bundeseinheitlicher Regelungen, die für alle einfach nachvollziehbar sind und einen schnellen Dämpfungseffekt auf das Infektionsgeschehen haben. Überall dort, wo es hohe Fallzahlen gibt, müssen diese Regeln gelten.

In Anbetracht der steigenden Infektionszahlen trifft den Staat eine Schutzpflicht, zu handeln. Eine Überlastung des Gesundheitssystems muss verhindert werden, damit eine medizinische Versorgung der Bürgerinnen und Bürger weiterhin gewährleistet werden kann. Der Bundesgesetzgeber kann durch sein Eingreifen verhindern, dass viele Tausende Menschen an COVID-19 erkranken und an den Folgen sterben oder lange Zeit leiden. Alle wissen: Der Weg raus aus der Pandemie führt über die Impfungen. Wenn dazu in den nächsten Monaten Millionen von Menschen in den Impfzentren und bei Haus- und Betriebsärzten geimpft werden, wird dies zu einem massiven Rückgang der Neuinfektionen führen. Zum jetzigen Zeitpunkt reichen die Impfungen jedoch noch nicht aus, um das Pandemiegeschehen wirksam zu kontrollieren. Dies ist aber notwendig, um die vielen Ungeimpften vor einer Ansteckung zu schützen, aber auch um das Risiko für Virus-Mutationen zu verhindern, die den Erfolg der Impfkampagne gefährden könnten. Die Impfkampagne muss darum für einen kurzen Zeitraum ergänzt werden durch weitere Schutzmaßnahmen, die nun – befristet bis zum 30. Juni 2021 – für besonders hohes Infektionsgeschehen vom Parlament gebilligt wurden.

Wir sind uns bewusst, dass die Einschränkungen, die wir im Infektionsschutzgesetz vereinbart haben, nach den langen schwierigen Monaten in der Pandemie für alle Menschen in Deutschland eine weitere Belastung darstellen. Doch sie sind notwendig, um die Gesundheit von uns allen bestmöglich zu schützen und den Erfolg der Impfkampagne abzusichern.

Was ist die Notbremse und warum ist sie notwendig?

Wir sind mitten in der dritten Welle. Seit Mitte Februar 2021 verzeichnen wir bundesweit deutlich steigende Infektionszahlen. Seit Mitte März hat sich der Anstieg der Fallzahlen beschleunigt. Die Virusvariante B.1.1.7, die mittlerweile in Deutschland dominiert, ist deutlich infektiöser und verursacht schwerwiegendere Krankheitsverläufe und langfristige Folgen. Die bisher unterschiedlichen Maßnahmen in den einzelnen Bundesländern konnten den rasanten Anstieg der Infektionszahlen nicht verhindern. Wir müssen darum als Bundesgesetzgeber entschlossen handeln. Das tun wir mit der bundeseinheitlichen Notbremse.

Zur Notbremse gehört, dass bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 Neuinfektionen und darüber das öffentliche Leben weitestgehend heruntergefahren wird: Private Zusammenkünfte werden begrenzt, Geschäfte und Einrichtungen müssen schließen und überall dort, wo Kontakte unvermeidbar sind, gelten strenge Hygienevorschriften. Eine nächtliche Ausgangsbeschränkung soll die Kontakte im privaten Bereich reduzieren. Eine Homeofficepflicht und eine Testangebotspflicht für Arbeitgeber sollen das Infektionsrisiko am Arbeitsplatz minimieren. Schulen sollen so lang wie möglich offengehalten werden, um die Bildung aber auch die psychische Entwicklung der Kinder nicht zu gefährden. Aber auch hier müssen ab einer kritischen Inzidenz wirksame Maßnahmen ergriffen werden.

Konkret bedeutet dies:

  • Private Treffen sind auf die Angehörigen des eigenen Haushalts und eine weitere Person einschließlich der zu ihrem Haushalt gehörenden Kinder beschränkt.
  • Zwischen 22 und 5 Uhr gilt eine nächtliche Ausgangsbeschränkung. Ausnahmen sind vorgesehen, u.a. zur Berufsausübung, zur Betreuung unterstützungsbedürftiger Personen oder zur körperlichen Bewegung (bis Mitternacht).
  • Arbeitgeber haben die Pflicht, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei Bürotätigkeiten die Arbeit im Homeoffice anzubieten. Diese wiederum müssen die Tätigkeit in ihren Wohnungen ausführen, wenn dies möglich ist.
  • Freizeiteinrichtungen bleiben geschlossen. Kulturelle Einrichtungen bleiben geschlossen mit Ausnahme von zoologischen und botanischen Gärten. Diese dürfen, da das Infektionsrisiko draußen geringer ist als in geschlossenen Räumen, unter strengen Hygienevorschriften (u.a. Einlass nur mit negativem Test) öffnen.
  • „Click & Meet“ ist bis zu einer Inzidenz von 150 möglich bei Vorlage eines negativen Testergebnisses. Bei einer höheren Inzidenz ist nur „Click & Collect“ erlaubt.
  • Auch im Sportbereich gibt es strenge Beschränkungen. Ausnahmen hierfür gelten aber nicht nur für Berufs- und Leistungssportler, sondern auch für Kinder, die weiterhin zu fünft im Freien Sport treiben können.
  • Gaststätten bleiben geschlossen, die Auslieferung von Speisen und Getränken bleibt aber zulässig.
  • Körpernahe Dienstleistungen werden untersagt mit Ausnahme von Dienstleistungen, die medizinischen, therapeutischen, pflegerischen oder seelsorgerischen Zwecken dienen. Möglich bleiben auch Friseurbesuche und Fußpflege, da hierauf insbesondere ältere Menschen für die essentielle Körperpflege angewiesen sind. Hierbei muss eine FFP2-Maske getragen werden und es muss ein negatives Testergebnis vorliegen.
  • Bei der Beförderung von Personen durch öffentliche Verkehrsmittel ist eine Höchstbesetzung der jeweiligen Verkehrsmittel mit der Hälfte der regulär zulässigen Fahrgastzahlen anzustreben.
  • Die Zurverfügungstellung von Übernachtungsangeboten zu touristischen Zwecken ist untersagt.
  • Schülerinnen und Schüler können im Inzidenzbereich von 100-165 im Wechselunterricht unterrichtet werden. Ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 165 wird in den Distanzunterricht gewechselt.

Die Einschränkungen sind bis zum 30. Juni 2021 befristet.

Sollten neben dem Inzidenzwert noch andere Parameter in die Betrachtung des Infektionsgeschehens miteinbezogen werden?

Die Sieben-Tage-Inzidenz ist seit dem Dritten Bevölkerungsschutzgesetz vom 18. November 2020 Maßstab für die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen. Auch wenn es eine breite Kritik gibt, den Inzidenzwert als alleinigen Umstand für die Auslösung von Infektionsschutzmaßnahmen anzusehen: Der Inzidenzwert ist klar, für jeden verständlich, gut nachvollziehbar und zudem rechtssicher. Für eine vorausschauende Politik zur Pandemiebekämpfung und zur Verhinderung der Überlastung des Gesundheitssystems ist der Inzidenzwert in einem Gesetzesautomatismus am besten geeignet. Steigende Inzidenzwerte haben bislang immer zu einer steigenden Anzahl an COVID-19-Patientinnen und -Patienten auf den Intensivstationen geführt. Auch die Rechtsprechung hat bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der ergriffenen Schutzmaßnahmen regelmäßig auch auf den Inzidenzwert Bezug genommen. Es ist dabei stets bestätigt wurden, dass der Gesetzgeber in der Pandemie einen erheblichen Einschätzungsspielraum hat.

Es ist richtig, dass gerade die SPD sich im Frühjahr für eine Änderung im Infektionsschutzgesetz stark gemacht hat, mit der weitere Faktoren bei der Bewertung der Gefahrenlage berücksichtigt werden müssen. Nach § 28a Abs. 3 S. 12 IfSG sind bei der Prüfung der Aufhebung oder Einschränkung der Schutzmaßnahmen insbesondere auch die Anzahl der gegen COVID-19 geimpften Personen und die zeitabhängige Reproduktionszahl zu berücksichtigen sowie (laut Ausschussbegründung) auch die Belastung des Gesundheitssystems. Diese differenziertere Betrachtung ist bei niedrigeren Infektionszahlen sinnvoll, da hier ein kurzfristiger Anstieg des Inzidenzwerts auch auf ein lokal begrenzbares Infektionsgeschehen zurückgeführt werden könnte, dem durch effektive Schutzmaßnahmen vor Ort begegnet werden könnte.

Liegt die Inzidenz aber an drei aufeinanderfolgenden Tagen in einem Landkreis über 100, ist dies nicht mehr angezeigt. Dann sind die Fallzahlen so hoch, dass selbst bei einem Ausbruch in einem fleischverarbeitenden Betrieb Schutzmaßnahmen für den gesamten Landkreis notwendig sind. Die Menschen arbeiten ja nicht nur tagsüber, sondern leben bei ihren Familien, haben ggf. schulpflichte Kinder und private Kontakte.

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass eine Inzidenz von 100 bei einem zunehmenden Teil der Bevölkerung, der aufgrund der Impfung am epidemischen Geschehen weitgehend nicht mehr beteiligt ist, bezogen auf die Neuinfektionen unter der nicht geimpften Bevölkerung sogar eine höhere Ansteckungswahrscheinlichkeit bedeutet. Sind zum Beispiel 50 Prozent der Bevölkerung geimpft, bedeutet eine Inzidenz von 100 in der Gesamtbevölkerung in etwa eine Inzidenz 200 im nicht-geimpften Bevölkerungsbereich.

Sind die in § 28b IfSG vorgesehenen Maßnahmen – insbesondere die Ausgangsbeschränkungen – verhältnismäßig?

Ziel der Maßnahmen ist die Bekämpfung einer epidemischen Notlage von nationaler Tragweite. Angesichts des besonderen Infektionsgeschehens droht eine Überlastung des Gesundheitssystems sowie eine hohe Zahl von Toten und Schwerkranken. Das überragend wichtige Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) gilt es besonders zu schützen.

Die Maßnahmen der Notbremse sind verhältnismäßig. Je größer die zu bewältigende Gefahrenlage, desto einschneidender können die Maßnahmen sein. Die Notbremse greift erst bei besonderem Infektionsgeschehen mit einer Inzidenzzahl von 100 als maßgeblichem Schwellenwert und damit deutlich oberhalb des in der Vergangenheit für ähnliche Maßnahmen zu Grunde gelegten Schwellenwertes. Zudem wird das Eingriffsgewicht der Maßnahmen durch eine Vielzahl von Faktoren wie dem „atmenden Mechanismus“ der Notbremse, einer Befristung und Ausnahmeregelungen auf den Regelungszweck zugeschnitten.

Das aktuelle Infektionsschutzgesetz sieht bereits die Möglichkeit von Ausgangsbeschränkungen in § 28a Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 28a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 IfSG vor. Eine wirksame Eindämmung des Infektionsgeschehens ab einem Inzidenzwert von 100 ist ohne Ausgangsbeschränkung erheblich gefährdet. Die Ausgangsbeschränkung ist auf den Zeitraum begrenzt, in dem die Voraussetzungen der Notbremse vorliegen. Sie wird nicht rein vorsorglich angeordnet. Sie ist geeignet, das Infektionsgeschehen einzudämmen, da durch eine nächtliche Ausgangsbeschränkung private Zusammenkünfte (insb. Feiern in größeren Gruppen) vermieden werden. Dass der Anstieg der Infektionen gedämpft werden kann, sieht man auch an der Fallentwicklung in Hamburg, wo diese Form der Ausgangsbeschränkung bereits erste Wirkungen zeigt. Sie ist erforderlich, da ein milderes Mittel zur effektiveren Durchsetzung der Kontaktbeschränkungen im privaten Bereich nicht ersichtlich ist. Vielmehr stellt die nächtliche Ausgangsbeschränkung (aufgrund ihrer Kontrollierbarkeit im öffentlichen Raum) ein deutlich milderes Mittel dar als weitere Beschränkungen oder weitergehende Kontrollen im privaten Bereich. Sie ist auch verhältnismäßig, da sie auf einen engen zeitlichen Rahmen im Tagesverlauf beschränkt ist und Ausnahmen nicht nur für Notfälle, sondern auch zum Zwecke der körperlichen Bewegung bis Mitternacht möglich sind. Außerdem ist dieses Instrument auf einen sehr engen Zeitraum bis zum 30. Juni 2021 befristet.

Die weit überwiegende Zahl der verwaltungsgerichtlichen und verfassungsgerichtlichen Entscheidungen hat die Zulässigkeit von Ausgangsbeschränkungen nicht in Frage gestellt. Es handelt sich nicht um eine Freiheitsentziehung, sondern lediglich um eine Einschränkung der persönlichen Bewegungsfreiheit zu regelmäßigen Ruhens- und Schlafenszeiten.

Warum ist Präsenzunterricht an Schulen ab einem Inzidenzwert von 165 untersagt?

Schulen und Kitas sind derzeit vom Infektionsgeschehen besonders betroffen. Durch die bundeseinheitliche Regelung, wonach ab einer Inzidenz von 165 – der ungefähre Durchschnittswert aller 16 Bundesländer beim Inzidenzwert am Tag der Einigung – Schulen in den Distanzunterricht überzugehen haben, bekommen Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer sowie Eltern Klarheit. Dies ist angesichts der bisher häufig kurzfristigen Mitteilungen über Schulschließungen für alle Beteiligten von Vorteil und bringt eine bessere Planbarkeit mit sich.

Unterhalb der Schwelle von 165 bleibt es bei den jeweiligen Regelungen in den einzelnen Bundesländern und der Präsenzunterricht bleibt möglich, wobei dieser bei einer Inzidenz zwischen 100 und 165 in Form von Wechselunterricht stattfinden muss. Flankiert wird diese Regelung durch zwei Testungen je Woche als Voraussetzung für die Teilnahme am Präsenzunterricht. Den Ländern ist es unbenommen, den Distanzunterricht auch schon früher anzuordnen.

Wir konnten sicherstellen, dass die berufsbildenden Schulen neben den allgemeinbildenden Schulen auch von diesen Regelungen eingeschlossen sind. Die Bundesregierung hatte vorgesehen, Bildungseinrichtungen erst ab einem Überschreiten des Schwellenwerts von 200 zu schließen. Auch wenn der Präsenzunterricht für Bildungschancen sowie die psychosoziale und persönliche Entwicklung der Schülerinnen und Schüler große Bedeutung hat, können wir eine Verschärfung zur schnelleren Schließung der Schule aufgrund des aktuellen Pandemiegeschehens nicht vermeiden.

Nach einem Bericht des RKI stiegen die Meldeinzidenzen vor Ostern bei Kindern und Jugendlichen in allen Altersgruppen an. Dies zeigte sich besonders frühzeitig in der Altersgruppe 0-5 Jahre und betraf auch die Daten zu Ausbrüchen in Kitas, die sehr rasch anstiegen und über den Werten von Ende letzten Jahres liegen. Eine ähnliche Entwicklung deutet sich mit zeitlicher Verzögerung (aufgrund der erst kürzlich erfolgten Öffnung) auch für die Schulen an. Die Ausbreitung leichter übertragbarer Virusvarianten zwingt uns, hier striktere Maßnahmen zu ergreifen.

Was tun wir konkret für die Kinder?

Kinder und Jugendliche leiden besonders unter den Schulschließungen und Einschränkungen im Kita- und Schulbetrieb. Deshalb macht sich die SPD-Bundestagsfraktion für ein Corona-Aufhol-Paket in Höhe von 2 Milliarden Euro stark. Dabei geht es uns nicht allein um Lernrückstände und geeignete Nachhilfeangebote. Weil die Herausforderungen für Kinder, Jugendliche und Familien sehr vielfältig sind, wollen wir breit gefächerte Hilfsangebote. So soll die Unterstützung auch im frühkindlichen Bereich, im Bereich der Ferienfreizeiten und der außerschulischen Angebote ausgebaut und darüber hinaus zusätzliche soziale Arbeit in den Bildungseinrichtungen gefördert werden.

Viele Kinder und ihre Eltern müssen seit Monaten Homeschooling, Homeoffice und Kinderbetreuung bewältigen. Um die Situation für die Familien etwas zu erleichtern, erweitern wir den Rechtsanspruch auf Kinderkrankentage von 20 auf 30 Tage pro gesetzlich versichertem Elternteil und pro Kind sowie für Alleinerziehende von 40 auf 60 Tage pro Kind. Die Höchstgrenze zur Inanspruchnahme steigt auf maximal 65 (von aktuell 45) Tage, für Alleinerziehende auf maximal 130 (von aktuell 90) Tage.

Darüber hinaus haben wir dafür gesorgt, dass Kinder bis 14 in Gruppen bis max. fünf auch weiterhin im Freien kontaktlosen Sport ausüben können. Für Familien und Kinder aus schwierigen Verhältnissen oder in schwierigen Wohnsituationen ist das eine große Entlastung.

Kann der Bund überhaupt Änderungen im Infektionsschutzgesetz machen?

Der Bund hat nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für das Infektionsschutzrecht. Er kann daher die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vollumfänglich gesetzlich regeln, hat aber bisher in weitem Umfang die konkrete Ausgestaltung den Ländern überlassen und hierzu Verordnungsermächtigungen an die Landesregierungen erteilt.

Die Gesetzgebungskompetenz umfasst auch Maßnahmen zum Infektionsschutz in Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen, auch wenn das Schulwesen nach Art. 70 GG in der ausschließlichen Kompetenz der Länder liegt. In Bezug auf die Pandemiebekämpfung wird die Kompetenz für das Schulwesen jedoch von der spezielleren Kompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG verdrängt. Übt der Bund seine Kompetenz auf dem Gebiet des Infektionsschutzes aus, indem er etwa Maßnahmen zur Schließung von Schulen normiert, so macht er dies nicht mit dem Ziel, das Schulwesen zu regeln. Vielmehr haben die Regelungen das Ziel, Vorschriften in Bezug auf Gemeinschaftseinrichtungen zu treffen, die aufgrund der Zahl sich dort aufhaltenden Personen mit einer erhöhten Infektionsgefahr verbunden sind bzw. sein können. Der Schwerpunkt solcher Maßnahmen liegt somit im Bereich des Infektionsschutzes.

Gibt das Gesetz der Bundesregierung eine Generalermächtigung?

Das vierte Bevölkerungsschutzgesetz sieht in § 28b Abs. 6 Nr. 1 vor, dass die Bundesregierung bei Überschreitung der 100er-Schwelle auch „zusätzliche Gebote und Verbote nach § 28 Abs. 1 S. 1 und 2 und § 28a Abs. 1 IfSG“ erlassen kann. Dies soll der Bundesregierung ermöglichen, ergänzende Maßnahmen zu ergreifen, sollte dies in der Pandemiebekämpfung notwendig werden. Das Parlament gibt der Bundesregierung jedoch keinen Blankocheck. Auf Druck der SPD wurde in den Verhandlungen erreicht, dass diese Bundesverordnungen nur mit Zustimmung des Bundestages und Bundesrates erlassen werden können. Das Parlament hat also bei weiteren Verschärfungen immer das letzte Wort.

Warum wird mit dem Gesetz das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit eingeschränkt? Soll es doch eine Impfpflicht geben?

Uns erreichen vielfach Fragen, ob mit dem 4. Bevölkerungsschutzgesetz doch noch eine Impfpflicht eingeführt werden soll. Eine Impfpflicht ergibt sich aber weder unmittelbar noch mittelbar aus dem Gesetzestext. Verunsichernd wirkt möglicherweise in diesem Zusammenhang der § 28b Abs. 11 (alte Fassung Abs. 9) IfSG, in dem es heißt : „Die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes), der Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes), der Freizügigkeit (Artikel 11 Absatz 1 des Grundgesetzes) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes) werden eingeschränkt und können auch durch Rechtsverordnungen nach Absatz 6 eingeschränkt werden“. Dieser Absatz dient jedoch nur dem Zitiergebot. Dieses befindet sich ebenfalls im Grundgesetz. Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG verpflichtet den Gesetzgeber, in Gesetze, die potenzielle Grundrechtseingriffe mit sich bringen, die betroffenen Grundrechte explizit zu nennen. Das Zitiergebot ist vor allem eine Schutzvorkehrung der Verfassung gegen den Missbrauch von Grundrechtsbeschränkungen. Es soll für die Gesetzgebung eine Warn- und Besinnungsfunktion erfüllen, sodass ungewollte Eingriffe in Grundrechte vermieden werden.

Da in dem §28b IfSG in bestimmten Situationen auch eine Testpflicht vorgesehen ist (u.a. an Schulen, vor einem Friseurbesuch, vor dem Besuch eines botanischen Gartens, etc.) regelt der Gesetzgeber eine Materie, die in die körperliche Unversehrtheit eingreift. Zwar ist die Testpflicht aus Gründen des Infektionsschutzes in diesen Situationen gerechtfertigt. Das Zitiergebot gebietet es aber, auch Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG als potenziell beeinträchtigtes Grundrecht aufzuführen.

Eine Impfpflicht stand und steht hingegen nicht zur Debatte.

Habe ich weiterhin die Möglichkeit, die Maßnahmen vor den Gerichten überprüfen zu lassen?

Den Bürgerinnen und Bürgern steht weiterhin Rechtsschutz gegen die Corona-Schutzmaßnahmen zur Verfügung. Da die Verbotsnormen – im Gegensatz zu den bisherigen Corona-Schutzmaßnahmen – nicht mehr über Landesverordnungen, sondern unmittelbar per Bundesgesetz wirken, kann ihre Verhältnismäßigkeit allerdings nur noch vor dem Bundesverfassungsgericht überprüft werden. Dies hat wiederum den Vorteil, dass das BVerfG die Verfassungskonformität der Maßnahmen zentral und abschließend bewertet und es keinen weiteren Flickenteppich von Maßnahmen durch die unterschiedliche VG- und OVG-Rechtsprechung mehr gibt.

Wer einen Bußgeldbescheid erhalten hat, kann dagegen selbstverständlich weiterhin vor den Amtsgerichten vorgehen. Sollten die Amtsrichter dabei Zweifel an der Verfassungskonformität des § 28b IfSG haben, müssten sie das Gesetz entsprechend beim Bundesverfassungsgericht vorlegen.

Darüber hinaus enthält das vierte Bevölkerungsschutzgesetz auf Druck der SPD eine Klarstellung zur Anwendbarkeit der vorbeugenden Feststellungsklage. Hiernach kann der einzelne Bürger vor dem Verwaltungsgericht auf Feststellung klagen, dass sich aus dem Gesetz (oder den jeweils angegriffenen Passagen) keine Rechte oder Pflichten für den Klagenden ergeben (wenn er bspw. meint, ein bestimmtes Verhalten sei auch ein „ähnlich gewichtiger und unabweisbarer Grund“ i.S.d. § 28b Abs. 1 Nr. 2f IfSG, der von der Ausgangsbeschränkung ausgenommen sein müsse). Dies war den Rechtspolitikerinnen und Rechtspolitikern der SPD besonders wichtig, da es den Bürgerinnen und Bürgern nicht zumutbar ist, erst gegen eine Corona-Vorschrift zu verstoßen, um dann ihre Anwendbarkeit erst im Gerichtsverfahren zu klären.

Warum werden Geimpfte im geänderten Infektionsschutzgesetz nicht von Grundrechtsbeschränkungen ausgenommen?

Dass von Menschen, die über einen Impfschutz mit einem der aktuell vorhandenen Impfstoffe verfügen oder die eine SARS-CoV-2-Infektion überstanden haben, keine Ansteckungsgefahr mehr ausgeht, können wir bislang auf Grundlage der wissenschaftlichen Erkenntnisse noch nicht gesichert sagen. Schutzmaßnahmen ihnen gegenüber können deshalb noch nicht komplett entfallen. Bestimmte Maßnahmen wie Abstandhalten und das Beachten der Hygieneregeln werden auch weiterhin erforderlich sein. Das gilt insbesondere mit Blick auf die Verbreitung von Virusvarianten und die beobachtenden Impfdurchbrüche. Um dynamisch und schnellstmöglich auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse reagieren und Ausnahmen für geimpfte Personen schaffen zu können, haben wir im Infektionsschutzgesetz eine Verordnungsermächtigung für die Bundesregierung mit Zustimmung von Bundesrat und Bundestag vorgesehen. Wir erwarten auf dieser Grundlage kurzfristig Ausnahmeregelungen auf Basis des gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes.

Welchen Beitrag leisten Betriebe bei der Pandemiebekämpfung?

Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sind verpflichtet, Homeoffice anzubieten – und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen etwa Bürotätigkeiten zu Hause ausführen. Stehen zwingende betriebliche Gründe der Tätigkeitsverlagerung ins Homeoffice entgegen, muss der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin diese der zuständigen Behörde auf Verlangen benennen. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber müssen für Testmöglichkeiten sorgen, wenn im Betrieb gearbeitet wird, weil Homeoffice nicht geht. Sie müssen Abstand und Hygiene sicherstellen.

Was bedeutet die Verpflichtung von Betrieben zum Angebot von Homeoffice und Testmöglichkeiten konkret?

Wir brauchen wirksamen Schutz am Arbeitsplatz. Die Verpflichtung zum Angebot von Homeoffice hat sich bewährt: Die Nutzung von Homeoffice ist mit der Corona-Arbeitsschutz-Verordnung deutlich gestiegen. Dennoch ist das Infektionsgeschehen weiterhin auf einem kritischen Niveau. Nur mit einem verbindlichen Testangebot in den Unternehmen, das den Beschäftigten regelmäßige Tests durch den Betrieb ermöglicht, können Betriebe weiter offengehalten werden.

  • Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sind verpflichtet, in ihren Betrieben mindestens zwei Mal pro Woche für alle in Präsenz Arbeitenden die Möglichkeit für Schnell- oder Selbsttests anzubieten.
  • Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sind verpflichtet, Homeoffice anzubieten. Stehen zwingende betriebliche Gründe der Tätigkeitsverlagerung ins Homeoffice entgegen, muss der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin diese der zuständigen Behörde auf Verlangen vorlegen.
  • Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen etwa Bürotätigkeiten zu Hause ausführen, soweit es ihnen möglich ist. Ansonsten müssen sie Gründe dafür vorbringen, weshalb sie nicht im Homeoffice arbeiten können.

Was bedeutet Abstand und Hygiene im Betrieb sicherstellen genau?

Notwendig ist:

  • Die Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 m zu anderen Personen; das Tragen von Mund-Nasen-Schutz, wo dies nicht möglich ist.
  • Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber müssen mindestens medizinische Gesichtsmasken zur Verfügung stellen.
  • In Kantinen und Pausenräumen gilt ebenfalls ein Mindestabstand von 1,5 m.
  • Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber müssen eine ausreichende Handhygiene am Arbeitsplatz sicherstellen.
  • Regelmäßiges Lüften muss gewährleistet sein.
  • Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sind verpflichtet, betriebliche Hygienepläne zu erstellen, umzusetzen sowie in geeigneter Weise zugänglich zu machen.
  • Müssen Räume von mehreren Personen gleichzeitig genutzt werden, müssen pro Person 10 m² zur Verfügung stehen.
  • In Betrieben ab 10 Beschäftigten müssen diese in möglichst kleine, feste Arbeitsgruppen eingeteilt werden.

Hängen die Regelungen zum Homeoffice und zum Arbeitsschutz von der Höhe der Inzidenz ab?

Nein, der Arbeitsschutz gilt bundesweit und inzidenzunabhängig. Die Regelungen der Arbeitsschutzverordnung und die Regelung zum Homeoffice im Infektionsschutzgesetz gelten bundesweit einheitlich. Damit schaffen wir Verlässlichkeit und Planbarkeit für Beschäftigte und Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber. Darüberhinausgehende Regelungen in einzelnen Bundesländern müssen mindestens diese Standards einhalten.

Kontakt


Bärbel Bas, MdB
Platz der Republik 1
11011 Berlin

Soziale Medien


Webdesign: villaester.de