In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 begannen in Nazideutschland durch das nationalsozialistische Regime organisierte und gelenkte Gewaltmaßnahmen gegen die jüdische Bevölkerung. Jüdische Geschäfte wurden geplündert und zerstört, Synagogen niedergebrannt, tausende Jüdinnen und Juden wurden in dieser Nacht misshandelt, verhaftet oder getötet. Die Reichspogromnacht markiert den Übergang von der Diskriminierung der deutschen Jüdinnen und Juden ab 1933 hin zur systematischen Vertreibung und Vernichtung des europäischen Judentums.
Wir erinnern an diese Verbrechen in einer Zeit, in der viele Jüdinnen und Juden offenen Antisemitismus und Hass erleben. Auch bei uns in Deutschland. Denn das ist unerträglich.
Die historische Verantwortung Deutschlands für den Holocaust muss sich jetzt im konkreten Handeln zeigen. Es liegt an uns, in welcher Gesellschaft wir leben wollen. Ganz klar ist für mich: Nie wieder ist jetzt! Das beginnt im Alltag damit, antisemitische oder rassistische Beleidigungen oder Angriffe als solche zu benennen und zu verurteilen. Denn unsere Geschichte zeigt, was daraus entstehen kann. Es ist unsere Verpflichtung, unsere freiheitliche Demokratie und unseren Rechtsstaat zu schützen und zu verteidigen. Sie sind der Garant für den Schutz aller Menschen und ihrer Rechte in unserem Land. Nie wieder dürfen wir zulassen, dass Menschen in Deutschland systematisch ausgegrenzt, verfolgt und ermordet werden.
„Sei ein Mensch“ - dieses Vermächtnis hat Leon Reif, Holocaust-Überlebender, seinem Sohn Marcel Reif mit auf den Weg gegeben. Ich bin dankbar dafür, dass Marcel Reif dieses Vermächtnis seines Vaters in der Gedenkstunde des Bundestags für die Opfer des Nationalsozialismus in diesem Jahr mit uns allen geteilt hat. Diese Worte mögen uns allen eine Mahnung und Verpflichtung für mehr Menschlichkeit im Umgang miteinander sein.